Südsudans Regierung befeuert Hungersnot

Südsudans Regierung befeuert Hungersnot

 (von Rainer Gruszczynski)

 

Kopfsteuer: Südsudan erhöht Visagebühren für ausländische Helfer auf 10.000 US$. Die Regierung verstärkt damit die im Land herrschende Hungersnot und profitiert gleichzeitig davon.

 

Anfang März dieses Jahres wiesen die UNO und international agierende Hilfsorganisationen darauf hin, dass mehr als fünf Millionen Menschen im Südsudan unter Hunger leiden. Grund ist ein Bürgerkrieg, in dem es darum geht, wie so häufig in Afrika, wer den Zugang zu den Ressourcen des Landes bekommt: Im Südsudan kämpfen die Konfliktparteien um Einnahmen aus Erdöl und - der Verdacht liegt sehr nahe - um die Möglichkeiten ihrer Repräsentanten, sich daran persönlich zu bereichern. ----Ebenfalls Anfang März konnte man in deutschen Zeitungen lesen, dass die südsudanesische Regierung die Visagebühren, die ausländische Hilfsorganisationen für ihre Mitarbeiter vor Ort zahlen müssen, von 100 US$ auf eine Art „Kopfsteuer“ in Höhe von 10.000 US$ angehoben hat. Wie passt das zusammen – Hungersnot und eine extrem hohe Sondersteuer für Nothelfer?

 

Nun ist der Umstand an sich schon skandalös, dass Hilfsorganisationen für ihre Helfer eine „Kopfsteuer“ an die Krisenländer zahlen müssen. Denn durch eine derartige Bestrafung der Nothelfer drücken die Regierungen dieser Staaten aus, dass ihnen das Wohlergehen ihrer armen Bevölkerungen egal ist – eine unter afrikanischen Regierungen sehr weit verbreitete Haltung. Doch im Falle Südsudans geht es um mehr.

 

Spätestens seit Linda Polmann 2008 ihr Buch „Die Mitleidsindustrie“ veröffentlicht hat, ist einer breiten Mehrheit von Menschen, die sich für Afrika interessieren, klargeworden, dass es dort gang und gäbe ist, humanitäre Hilfe zur Finanzierung von Warlords und ihren Kriegen, meist Bürgerkriegen, heranzuziehen. Das war z.B. in Liberia und Somalia ebenso der Fall wie in Sudan und Sierra Leone, Nigeria/Biafra und Äthiopien oder Ruanda und Kongo. Nicht nur Steuern auf alle Güter der humanitären Hilfe wurden von den Kriegsherren erhoben. Selbst für die Erlaubnis, helfen zu dürfen, mussten und müssen Hilfsorganisationen häufig bezahlen. Und diese Zahlungen werden nicht nur in Kriegs-, sondern oft auch in Friedenszeiten erhoben. Darauf haben Botschafter in Afrika, z.B. auch der ehemalige deutsche Botschafter in Kamerun Volker Seitz, immer mal wieder hingewiesen. Das von Südsudan angekündigte Vorhaben, die Visagebühren so drastisch zu erhöhen, illustriert diese gängige Praxis nur besonders deutlich.

 

Für diese Deutlichkeit muss der Norden der Regierung Südsudans eigentlich dankbar sein, weil dadurch für jedermann erkennbar wird, dass sie die Armen und Bedürftigen als Gelddruckmaschine für private Zwecke betrachten können. Denn diese sorgen dafür, dass für die Linderung ihrer Not Gelder ins Land kommen, über deren Verwendung die Regierenden, um es milde zu sagen, dann nur sehr unzureichend Rechenschaft ablegen. Und auch das ist in Afrika ganz normale Praxis. Weil das dort schon seit mehr als 50 Jahren so gut funktioniert, besteht unter Mitgliedern der afrikanischen Eliten wenig Interesse daran, Armut und Elend abzuschaffen.

 

Und so könnte es nach der Einführung der „Kopfsteuer“ in Südsudan weitergehen:

 

Vermutlich werden die Hilfsorganisationen sich dort erst einmal zieren, sofort nach Einführung der „Kopfsteuer“ groß angelegte Hilfsaktionen anlaufen zu lassen. Wenn die Not dann weiter anwächst, werden sie jedoch irgendwann von der Bremse gehen. Auch der öffentliche Druck wird dafür sorgen. Und wenn sie schließlich - mit oder ohne „Kopfsteuer“- wieder in dem ihnen möglichen Umfang Nahrungsmittel ins Land liefern, ist damit zu rechnen, dass die Bürgerkriegsparteien, wie es in anderen Konflikten üblich war und ist, erst einmal ihren Anteil daran sicherstellen. Laut Polmann liegt dieser erfahrungsgemäß zwischen 10% und 30% der angebotenen Hilfe. Dabei geht es jedoch nicht nur um das Feeding the Killers (Dieser Begriff wurde ursprünglich für die Flüchtlingskrieger verwendet, die sich in kongolesischen UNHCR-Lagern aufpäppeln ließen, um dann beim Genozid an den Tutsi in Ruanda aktiv mitzuwirken). Die Warlords „erwirtschaften“ mit diesen Zwangsabgaben vor allem auch Mittel, die dazu beitragen, einen Bürgerkrieg zu verlängern. Einen Krieg im Übrigen, der erst möglich wurde, weil zumindest eine der Konfliktparteien zuvor die Nahrungsmittel im Land künstlich verknappt und die Verteilung der knappen Mittel auch noch erschwert hat. Dadurch steigen die Preise derart, dass die Bevölkerung sie nicht bezahlen kann. Beliebte Mittel, das Nahrungsangebot zu verknappen, sind z.B. Angriffe auf Depots der Hilfsorganisationen oder Terrorisierung von Bauern, damit diese gar nicht auf den Gedanken kommen, auch nur zu säen. In Südsudan hat man nun auch noch die „Kopfsteuer“ dafür entdeckt.

 

Dass es der Bevölkerung dann infolge von Hunger und Gewalt richtig schlecht geht, ist zumindest für die überlegene Kriegspartei ein Etappensieg. Denn dann kommen die humanitären Bewegungen mit Geld, um die vorher von den Konfliktparteien gewollt verursachte Not zu lindern. Was ebenfalls von Vorteil für die Konfliktparteien ist, denn die Einnahmespirale nimmt für sie wieder ihren Anfang und der Krieg wird weiter genährt. Daher ist es auch nicht erstaunlich, dass die Bereitschaft der Konfliktparteien, den Krieg zu beenden, in dem Maße abnimmt, in dem Mittel ins Land kommen, die für die Linderung der Not bestimmt sind. Ein Teufelskreis!

 

Verschärft wird diese Problemlage noch dadurch, dass die großen „humanitären“ Hilfsorganisationen sich als Konkurrenten verstehen, die ihre Bemühungen um die Verbesserung der Lage der Zivilbevölkerung nicht miteinander abstimmen und die von den Warlords auch noch gegeneinander ausgespielt werden. Von den Hilfsorganisationen ist überdies nicht zu erwarten, dass sie ihre Spender über die Probleme oder Rückschläge bei ihren Aktionen aufklären. Denn von denen wollen sie ja auch in Zukunft Geld haben für die Erfüllung ihrer selbstgesteckten Ziele.Das wissen auch die Warlords.

 

Die Perversität dieses Prozesses wird dadurch noch getoppt, dass die Konfliktparteien mit einer zusätzlichen „Friedensbeute“ als Belohnung rechnen können. Damit sollen sie motiviert werden, Frieden zu schließen. Frieden bedeutet für sie dann: Es kommen Entwicklungsgelder zum Wiederaufbau des zerstörten Landes zu den Regierungen, an denen die Warlords beteiligt sind – Gelder, an denen sie sich erneut bereichern können. Sehr wahrscheinlich wird das auch irgendwann im Südsudan der Fall sein.

 

Humanitäre Organisationen, die den Menschen in Kriegsgebieten auf dem afrikanischen Kontinent helfen wollen, stecken in jedem Fall in einem Dilemma. Wenn sie Nahrungsmittel und andere Güter in die Notgebiete schicken, finanzieren sie damit auch die kämpfenden Parteien und verlängern Kriege. Wenn sie darauf verzichten wollen, verhindern sie zwar, dass sich humanitäre Hilfe in ihr Gegenteil verkehrt. Aber sie müssen dann zusehen, wie die Zivilbevölkerung verhungert. Eines bleibt aber auch für Südsudan und Afrika insgesamt festzuhalten:

 

In jedem Krieg sind die Soldaten die Letzten, die vor Hunger umkommen.

 

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